Glaubt man den Gerüchten, dann soll zu häufiges Onanieren blind machen und sogar die Haare ausfallen lassen. Aber verursacht Selbstbefriedigung wirklich Haarausfall?
Stand aktueller Forschung gibt es keinen Nachweis dafür, dass Masturbieren zu Haarausfall führt. Der primäre Grund für einen vorzeitigen Haarausfall ist erblich bedingt und hat nichts mit Selbstbefriedigung zu tun. Regelmäßiges Onanieren gilt zudem als normal und gesund.
Und dennoch gibt es hier gleich mehrere Dinge zu beachten. Lass uns das Thema daher etwas genauer unter die Lupe nehmen.
Los geht’s!
Masturbieren vs. Haarausfall
Im Durchschnitt verlieren Männer und Frauen rund 50-100 Haare pro Tag. Das ist vollkommen normal und Teil des natürlichen Haarzyklus. [1]
Wenn die Haare aber nicht mehr nachwachsen, dann ist von einem “Haarausfall” die Rede. Aber gibt es hier einen Zusammenhang zum Masturbieren?
Im Internet werden im Wesentlichen zwei Gründe genannt, warum Onanieren den Haarausfall beschleunigen soll:
#1 Behauptung: Masturbieren erhöht den Gehalt an DHT
DHT steht für Dihydrotestosteron. Es handelt sich dabei um ein Stoffwechselprodukt von Testosteron, das zudem deutlich potenter ist als das ursprüngliche Sexualhormon.
Rund 5-10% des Testosterons in deinem Körper werden zu DHT umgewandelt. [2, 3]
- Das Problem? Manche Männer sind genetisch bedingt deutlich empfindsamer auf das Hormon als andere.
- Die Folge? Wenn sich DHT an die Rezeptoren der Kopfhaut heften, dann kann das bei diesen Personen zu Haarausfall führen. [4]
Falls Onanieren also tatsächlich zu Haarausfall führen sollte, dann müsste eine der folgenden Thesen erfüllt werden:
- These #1: Masturbieren steigert den Testosteronspiegel und damit indirekt das DHT.
- These #2: Masturbieren erhöht den Anteil an Testosteron, welcher in DHT umgewandelt wird.
Lass uns mit der ersten These beginnen.
Hierzu habe ich gleich zwei umfangreiche Studien gefunden:
- In einer Untersuchung wurde der Testosteronspiegel von über 300 impotenten Männern mit dem von gesunden Männern verglichen. Das Resultat? Es gab keine signifikanten Unterschiede. [5]
- In einer zweiten Studie an Männern wurde der Testosteronspiegel von enthaltsam lebenden Männern mit sexuell aktiven verglichen. Das Ergebnis? Auch hier wurden keine Unterschiede festgestellt. [6]
Heißt konkret: Masturbieren erhöht nicht das Testosteron. Es hat damit auch keinen indirekten Einfluss auf die Höhe des DHT oder den Haarausfall.
Es scheint sogar eher das Gegenteil der Fall zu sein: Der Verzicht auf Masturbation kann kurzfristig den Testosteronspiegel erhöhen.
- In einer chinesischen Studie wurde nach einer 7-tägigen Enthaltsamkeit ein um 46% erhöhter Testosteronspiegel festgestellt. [7]
- Auch in einer zweiten Studie an Männern wurden nach 3-wöchiger Abstinenz ein erhöhtes Testosteron nachgewiesen. [8]
Das gesagt habend: Beide diese Untersuchungen wurden mit einer geringen Teilnehmerzahl durchgeführt. Die Aussagekraft ist daher begrenzt.
Langzeitauswirkungen soll die Selbstbefriedigung auf den Testosteronspiegel jedoch keine haben. [9]
Aber wie sieht es mit der zweiten These aus? Erhöht Masturbieren den Anteil an Testosteron, welcher in DHT umgewandelt, sodass der Haarausfall beschleunigt wird?
Direkte Studien zu diesem Thema gibt es bisher keine.
MERKE
MERKE
Meinungen aus Online-Foren sind immer mit Vorsicht zu genießen. Insbesondere dann, wenn es sich um Foren mit einer sehr einseitigen Perspektive handelt (z.B. NoFap).
In einer Untersuchung wurde jedoch nachgewiesen, dass das Kuschelhormon (“Oxytocin”) die Umwandlung von Testosteron zu DHT fördert. [10]
Und dieses Hormon wird unter anderem beim Masturbieren ausgeschüttet.
Hier gibt es jedoch zwei Haken:
- 1) Oxytocin wird auch während dem Sex ausgeschüttet, bei körperlicher Nähe oder wenn du verliebt bist. Masturbieren ist also nur einer von vielen Auslösern. [11]
- 2) Die Datenlage besteht aus einer einzigen Studie. Zudem ist unklar, wie stark die Auswirkung tatsächlich war.
Oder anders formuliert: Einen direkten Zusammenhang zwischen Masturbieren und DHT konnte bisher nicht nachgewiesen werden.
Ich vermute auch nicht, dass hier je ein Zusammenhang nachgewiesen wird.
Denn Untersuchungen zufolge sollen ganze 96% aller Menschen regelmäßig onanieren. [12] Haarausfall müsste daher dann auch ein weltweites Problem sein.
ZUSAMMENFASSUNG:
Masturbieren hat weder eine Auswirkung auf den Testosteronspiegel, noch auf den Gehalt von Dihydrotestosteron. Es gibt daher aus hormoneller Sicht kein Grund, warum Masturbieren zu Haarausfall führen sollte.
#2 Behauptung: Masturbieren führt zu einem Proteinmangel
Glaubt man den Magazinen, dann soll Sperma aufgrund seines hohen Eiweißgehalts ein “natürlicher Proteinshake” sein.
Wer also regelmäßig ejakuliert, verliert demnach hohe Mengen an Protein. Und das soll wiederum den Haarausfall begünstigen.
Diese Behauptung fußt also auf zwei Thesen:
- These #1: Sperma beinhaltet viel Protein.
- These #2: Ein Proteinmangel führt zu Haarausfall.
Lass uns auch hier vorne beginnen.
In einer Studie wurde nachgewiesen, dass Sperma rund 5 g Eiweiß pro 100 ml hat. [13]
Hier ein paar Vergleichswerte:
- Eier = 12 g Eiweiß pro 100 g
- Magerquark = 11 g Eiweiß pro 100 g
- Haferflocken = 10 g Eiweiß pro 100 g
- Milch = 3,3 g Eiweiß pro 100 ml
Eine durchschnittliche Ejakulation enthält allerdings nur 3,7 ml. [14] Du verlierst beim Samenerguss also nur rund 0,2 mg an Eiweiß.
Oder anders formuliert: Du müsstest mehrere hundert Male pro Tag masturbieren, um dadurch einen Proteinmangel zu erreichen.
Aber auch die zweite These ist umstritten.
Es gibt zwar Hinweise, dass ein Proteinmangel das Ausdünnen und den Verlust der Haare begünstigen kann, allerdings nur bei einem erheblichen Mangel. [15]
Ein dauerhafter und starker Eiweißmangel ist dagegen in Deutschland sehr selten.
Denn einerseits ist unserer Esskultur sehr eiweißreich und andererseits haben wir auch ein Überangebot an Essen. In Ländern wie Afrika ist das dagegen deutlich häufiger der Fall. [16]
ZUSAMMENFASSUNG:
Ein Samenerguss führt lediglich zu einem vernachlässigbar kleinen Verlust an Eiweiß. Zudem ist ein starker und dauerhafter Proteinmangel in Deutschland eine Seltenheit. Haarausfall durch Masturbieren ist also kaum möglich.
Tatsächliche Ursachen für frühzeitigen Haarausfall
Wenn Masturbieren keinen Haarausfall auslöst, welche Ursachen stecken dann dahinter?
Laut der amerikanischen Organisation für Haarausfall (AHLA) ist ein anlagebedingter Haarausfall für 95% der Falle verantwortlich. [17]
Oder anders formuliert: Eine genetisch bedingte Empfindlichkeit der Haarwurzel auf das DHT. Hierauf gibt es derzeit leider noch keine erfolgreiche Behandlung.
In den restlichen 5% der Fälle sind auch weitere Faktoren dafür verantwortlich:
- Infektionen der Kopfhaut [18]
- Körperlicher Stress
- Chemo- und Strahlentherapien [19]
- Exzessives Haareausreißen
- Nährstoffmangel [20]
- Hauterkrankungen
- Exzessives Haarstyling
- Psychischer Stress [21]
- Hormonelle Änderungen
- Bestimmte Medikamente
- Autoimmunstörungen [22]
Viele der obigen Störungen können behoben werden, wodurch der Haarausfall gestoppt oder gar rückgängig gemacht werden kann. [23]
Merke: Masturbieren, Geschlechtsverkehr oder sonstige sexuelle Handlungen sind hier nicht aufgelistet.
ZUSAMMENFASSUNG:
In 95% der Fälle sind genetische Gründe für den Haarausfall verantwortlich. Nur in Ausnahmefällen können auch andere Ursachen dahinterstecken. Selbstbefriedigung wird allerdings auf keiner großen Gesundheitsseite als Ursache aufgelistet.
Gibt es legitime Gründe auf Masturbation zu verzichten?
Haarausfall scheint kein valider Grund für eine Enthaltsamkeit zu sein. Aber gibt es ansonsten medizinisch nachgewiesene Faktoren, die dafür sprechen könnten?
Nicht wirklich. Sogar das Gegenteil:
- Regelmäßiges Masturbieren kann das Risiko für Prostatakrebs um ganze 33% verringern. [24]
- Onanieren führt zur Ausschüttung verschiedener Glückshormone, welche dich entspannen, deinen Schlaf verbessern und sogar Stress abbauen. [25, 26]
- Masturbieren führt zum Austausch der Spermien, wodurch die Fruchtbarkeit erhöht werden kann. [27]
- Regelmäßiges Ejakulieren beugt feuchte Träume vor, welche bei Männern allen Alters auftreten können. [28]
Es gibt jedoch eine Ausnahme: Wenn das Onanieren zum Zwang wird und du eine Masturbationssucht entwickelst. Das ist jedoch relativ selten.
Neben dem Gerücht, dass Masturbieren zu Haarausfall führt, gibt es zudem noch zahlreiche weitere Mythen:
- Es soll blind machen.
- Zu Erektionsstörungen führen.
- Unfruchtbar machen.
- Zu Haaren auf den Händen führen.
Keine dieser Behauptungen konnte bislang nachgewiesen werden. [29]
Tiefere Informationen zum Thema findest du hier:
ZUSAMMENFASSUNG:
Aus einer medizinischen Perspektive sprechen keinerlei Gründe gegen Masturbieren. Im Gegenteil: Regelmäßiges Onanieren gilt als normal und gesund.
Zusammenfassung
Masturbieren hat keinerlei Einfluss auf den Haarausfall. In 95% der Fälle liegt die Ursache in einer erblich bedingten Sensitivität auf DHT.
Dass Onanieren den DHT-Spiegel erhöht, kann derzeit nicht bestätigt werden.
Einerseits gibt es keinerlei direkte Studien zum Thema, und andererseits konnte zudem auch kein Zusammenhang zwischen Masturbieren und dem Testosteron nachgewiesen werden.
Auch die Behauptung, dass Masturbieren über einen Proteinmangel den Haarausfall beschleunigt, konnte nicht bestätigt werden.
Denn Sperma enthält viel zu geringe Mengen an Eiweiß. Zudem ist ein starker und dauerhafter Eiweißmangel in Deutschland eine absolute Seltenheit.
In nur 5% der Fälle soll der Haarausfall auf andere Ursachen als die Gene zurückgehen.
Regelmäßiges Onanieren soll zudem gesund sein und ist absolut normal. Nicht umsonst betreiben es rund 96% der Menschen weltweit.