Kann Fahrradfahren zu Impotenz führen? Und falls ja, sind die Schädigungen kurzfristig oder permanenter Natur? Neue Studien verheißen nichts Gutes.
In diesem Artikel lernst du zunächst die zugrundeliegende Theorie bevor wir uns die aktuellen Studienergebnisse anschauen.
Los geht’s!
Fahrrad fahren und Impotenz
Die Theorie
Die Idee, dass Fahrradfahren zu Impotenz führt, klingt logisch. Ganze ⅔ des Körpergewichts lasten während dem Fahren auf dem Damm. Also der Stelle in der Mitte der Beine zwischen Anus und Penis.
Viele Nerven sind dort angesiedelt. Zudem verlaufen mehrere Arterien entlang des Damms zum Penis. Was also passiert, wenn zu viel Druck auf den Damm ausgeübt wird?
Die Durchblutung wird verringert und Nerven eingeklemmt. Eine Studie europäischer Urologen fand heraus, dass dadurch die Durchblutung um bis zu 70% verringert wird.
Dieses Bild darf verwendet werden mit Namensnennung: “Potenz-Tipps.de” + Link zu diesem Artikel.
In der Praxis äußert sich das zunächst als leichtes Kribbeln. Nach längerem Fahrradfahren stellt sich ein Taubheitsgefühl ein. Ganze 60% der Vielfahrer sollen demnach über Taubheit der Genitalien klagen.
Und hier kommts zum Problem: Denn jede Erektion beginnt im Kopf. Von dort werden Nervenimpulse zum Penis geschickt.
Funktioniert alles einwandfrei, dann entspannt sich die Muskulatur im Penis, die Gefäße weiten sich und das Blut staut sich in den Schwellkörpern an. Es kommt zur Erektion.
Was passiert aber, wenn entweder die Nerven oder die Durchblutung in ihrer Funktion eingeschränkt sind? Es kann zu neurologischen oder durchblutungsbedingten Erektionsstörungen kommen. [1]
So viel zur Theorie. Aber was sagen Studien?
Die Praxis
Die Ergebnisse sind gemischt.
Studie 1:
In einer Studie von 2018 wurden knapp 2800 Radfahrer mittels eines Fragebogens untersucht. Es wurden Fragen zum Fahrrad- und Sattelmodell, zur Neigung des Sattels, der Höhe des Lenkrads und dem typischem Gelände gestellt.
Zudem wurden die Radfahrer in 2 Gruppen eingeteilt:
- A) Vielfahrer: Fahren seit über 2 Jahren mehr als 3 x pro Woche und mehr als 40 Kilometer.
- B) Wenigfahrer: Fahren mit geringerer Intensität und Frequenz
Zusätzlich wurden Ergebnisse von Schwimmern und Läufern gesammelt. In Summe umfasste die Umfrage knapp 5500 ausgefüllte Fragebögen.
Hier die Ergebnisse:
- Zwischen Radfahrern, Schwimmern und Läufern gab es keine signifikanten Unterschiede bei der Potenz.
- Vielfahrer hatten im Schnitt sogar eine leicht bessere Potenz als Wenigfahrer
Zudem wurden zwei wesentliche Einflussfaktoren festgestellt:
- Sattel-zu-Lenker-Verhältnis: Je tiefer der Lenker, desto größer der Druck auf den Damm, desto öfter kam es zu Taubheitsgefühlen. Die Lenkerhöhe sollte daher mindestens auf Sattelhöhe sein.
- Sitzen-zu-Stehen-Verhältnis: Radfahrer, die im Schnitt mehr als 20% im Stehen fuhren, berichteten deutlich weniger von Taubheitsgefühlen. [2]
Studie 2:
Der britische Forscher namens Marc Hamer untersuchte später dieselben Datenbank auf eine unterschiedliche Weise. Er teilte hierzu die Radfahrer in 4 verschiedene Gruppen ein:
Radfahrer, die wöchentlich
- Weniger als 3,75 h fahren
- Zwischen 3,75 h und 5,75 h fahren
- Zwischen 5,75 h und 8,5 h fahren
- Mehr als 8,5 h fahren
Rund 8% der Radfahrer leidete laut eigenen Angaben an Impotenz. Aber gab es einen statistischen Zusammenhang?
Nein. Zwischen den einzelnen Gruppen wurden keine signifikanten Unterschiede nachgewiesen. [3]
Ist der Mythos also widerlegt? – Nicht so schnell. Es gibt noch weitere Untersuchungen.
Studie 3:
Ein norwegisches Forschungsteam untersuchte 160 Teilnehmer eines 540-Kilometer Radrennens. Die Ergebnisse:
- 21% der Radfahrer berichteten von Taubheitsgefühlen, die bis zu einer Woche anhielten
- 13% erlebten eine erektile Dysfunktion von mehr als einer Woche [4]
SCHON GEWUSST?
Der Mythos, dass Fahrradfahren zu Impotenz führt, stammt aus den 90ern von einem amerikanischen Urologen namens “Irwin Goldstein”. Er stellte die These auf, nachdem ein 55-jähriger Mann nach regelmäßiger Verwendung des Heimtrainers über Potenzprobleme klagte.
Studie 4:
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) bestätigt, dass es bei Radfahrern, die regelmäßig 300-400 Kilometer fahren, zu Problemen kommen kann.
Die Gründe? Durch die abgedrückte Blutzufuhr kommt weniger Sauerstoff im Penisgewebe an. Mit der Zeit kann das zu einer Bindegewebserkrankung führen.
Das Gewebe kann bei einer solchen Erkrankung nicht mehr so viel Blut aufnehmen. Und das kann zu Impotenz führen. Schwächere Erektionen werden hier als erste Anzeichen angesehen. [5]
Zusammenfassung
Ob Fahrradfahren impotent macht kann Stand aktueller Forschung nicht ausgeschlossen werden. Die Studienergebnisse sind allerdings gemischt.
Experten vermuten, dass es nur dann zu permanenten Schädigungen kommen kann, wenn die Nerven und Arterien regelmäßig und über einen längeren Zeitraum abgedrückt werden.
Solltest du also nur gelegentlich das Fahrrad benutzen, dann besteht kein Grund zur Sorge.
Völlig unklar ist bisher allerdings inwiefern die erzeugte Hitze in den Hoden die Fruchtbarkeit beeinflussen kann. Denn ab einer Temperatur von 37°C verlieren Spermien nachweislich an Qualität und Anzahl. [6]
Heißt das wer seinen Penis liebt, der schiebt?
Nicht ganz. Mit den folgenden Tipps kannst du die negativen Auswirkungen weitgehend einschränken.
5 Tipps zur Vorbeugung von Impotenz
- #1 Wähle einen weichen und breiten Sattel
Je weicher und breiter dein Sattel, desto gleichmäßiger kann der Druck verteilt werden.
Harte Rennsattel reduzieren die Durchblutung um bis zu 70%. Ein breiter und weicher Sattel soll das laut Herstellern auf nur 25% reduzieren können.
Wie breit ist optimal?
Setz dich hierzu auf ein Stück Wellpappe. Die Druckstellen der Pappe zeigen dir wo deine Sitzknochen aufliegen. Diese sollten auf deinem Sattel Platz haben.
- #2 Benutze einen Sattel ohne Nase
Die Logik ist einfach: Keine Nase heißt kein Druck auf deinen Damm. Studien bestätigen die Wirkung: “Cutting off the nose saves the penis.” [7]
Entsprechende Modell findest du beim Fahrradhändler oder bei Amazon.
- #3 Trage gepolsterte Hosen
Neben dem Sattel kannst du ebenfalls den Härtegrad mit der Wahl der passenden Fahrradhose reduzieren. Je dicker die Polsterung, desto effektiver.
- #4 Optimiere das Lenker-zu-Sattel-Verhältnis
Dein Lenker sollte mindestens gleich hoch sein wie dein Sattel.
Je größer der Höhenunterschied zwischen deinem Lenker und dem Sattel, desto weniger Druck übst du auf den Damm aus. [8]
- #5 Wechsel zwischen Stehen und Sitzen
Insbesondere bei längeren Fahrradtouren solltest du regelmäßig für mehrere Minuten aus der sitzenden Position zur stehenden wechseln. Studien bestätigen den positiven Effekt. [9]
P.S. Falls du derzeit bereits an Impotenz leidest und nicht auf Fahrradfahren verzichten willst, so könntest du auf ein Liegefahrrad umsteigen.